Archiv der Kategorie: Streitschrift

Offener Brief: „Runder Tisch gegen Extremismus“ ist ein Irrweg

„Gemeinsam handeln gegen Rechts“ bleibt die einzig richtige Losung

Ich erlaube mir unter Berufung auf die Geschichte und meine persönlichen Erfahrungen die Bewertung, dass ein „Runder Tisch gegen Extremismus“ ganz grundsätzlich und insbesondere jetzt ein schwerer Fehler wäre. Das hat mehrere Gründe.

Eine Gleichsetzung von Links und Rechts ist sachlich falsch – wie auch unaufrichtig – und verbietet sich daher. Linke Bewegungen und Organisationen streben mehr Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit an. Rechte Bewegungen dagegen streben maximale Ausbeutung der Menschen durch Unterdrückung an; durch militärische Autorität im In- und Ausland, durch Gewalt und Zwangsarbeit. Dem Grad nach mögen sich die öffentlich geäußerten Vorstellungen rechter Gruppen unterscheiden, dem Inhalt nach läuft es immer darauf hinaus. Das zeigte sich jüngst deutlich in der Forderung der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) nach eigenen deutschen Atomwaffen; zur Durchsetzung deutscher Interessen, wohlgemerkt, nicht etwa zur Abschreckung.

Gleichzeitig gibt es in unserer Stadt keine Probleme mit Linken, gleich welcher Organisationszugehörigkeit; keine Anzeigen, keine Verfahren – keine Straftaten. „Extremismus“ ist auch in dieser Hinsicht ein völlig konstruiertes Problem.

Diese Gleichsetzung nützt nur den Faschisten, ihnen aber in mehrfacher Hinsicht. Es verharmlost sie als „eine Form des Extremismus“ und schwächt die Opposition gegen sie massiv, indem sie die aktivsten antifaschistischen Kräfte ausgrenzt. Unsere Fähigkeiten und Kenntnisse sollen in einem solchen Bündnis fehlen, obwohl wir die politische Organisation der Aktivist:innen sind, die sich in den letzten 15 Jahren ohne Unterbrechung mit der neofaschistischen Szene und ihren parlamentarischen Auswüchsen auseinander gesetzt haben. Wir verfügen über das umfangreichste Wissen und über die größte Erfahrung mit dieser Szene in Radevormwald.

Ein „Runder Tisch gegen Extremismus“ dient in Anbetracht des existierenden Runden Tisches gegen Rechts also nur der Abgrenzung gegenüber fortschrittlichen und linken Kräften – konkret dem LF – und daher auch nicht dem Kampf gegen die Neofaschisten.

Die Vorbehalte gegen den Runden Tisch gegen Rechts werden mit unserem Engagement begründet, man fürchte eine Vereinnahmung durch uns und wolle nicht „vor den Karren des Linken Forums“ gespannt werden; das ist so absurd, wie es nur sein kann.

Für wie stark halten die großen bürgerlichen Parteien uns denn, dass sie fürchten, sich gegen uns am Runden Tisch gegen Rechts nicht behaupten zu können – oder für wie schwach halten sie sich selbst?

Und worin soll eine solche Vereinnahmung überhaupt bestehen? Der einzige Zweck und die Existenzberechtigung des Runden Tisches gegen Rechts ist der Kampf gegen die faschistische Ideologie, ihre Anhänger und deren Strukturen in Radevormwald. Heißt das, dass sie diesen Kampf gar nicht wirklich führen wollen?

Was sind das für „Ängste“? Eine Zusammenarbeit mit allen demokratischen Kräften am Runden Tisch gegen Rechts, also auch mit uns, wird und soll die anderen Parteien nicht dazu bringen, unsere sonstigen Forderungen zu übernehmen, zum Beispiel Karthausen nicht zu bauen, stattdessen die Südstadt zu sanieren, oder den ÖPNV zu verbessern.

Wenn dann die FDP ihr Fernbleiben damit begründet, sie würde keine Einladung von einem „MLPD-Kandidaten“ (mir) annehmen, dann zeichnet das für sich genommen einen MLPD-Kandidaten nicht aus: Die FDP ist in 15 Jahren keiner Einladung zur Mitarbeit am Runden Tisch gegen Rechts gefolgt, gleich wer sie aussprach, ob derjenige parteilos, Grüner, Linkspartei‘ler oder gar UWG‘ler war. Das bleibt bedauerlich, aber sobald die FDP es ändert, werden wir zur Zusammenarbeit auch mit ihr am Runden Tisch gegen Rechts bereit sein.

Ansonsten sei gesagt, dass die Bergische Morgenpost bereits völlig zutreffend berichtete, dass wir als Trägerorganisation im Internationalistischen Bündnis auch Kontakte auch zur MLPD als einem unserer Bündnispartner pflegen. Die Kandidatur von LF-Mitgliedern, so auch mir, auf der offenen Liste der MLPD als „Internationalistische Liste / MLPD“ erfolgte in diesem Rahmen. Es geht beim Runden Tisch gegen Rechts aber gar nicht darum, inwieweit wir die MLPD unterstützen oder wo die Rader bei der nächsten Wahl ihr Kreuz machen sollen, so lange sie es nicht bei faschistischen oder faschistoiden Parteien machen.

Wir jedenfalls werden Vorschläge zur Auseinandersetzung mit der faschistischen Ideologie nicht grundsätzlich ablehnen, nur weil sie von anderen unterstützt werden. Die zuletzt von Hans Golombek (SPD) – auch von uns immer wieder in der Vergangenheit – eingebrachte Forderung, Straßen in Radevormwald, die nach faschistischen Funktionären benannt wurden, umzubenennen und ihre Geschichte aufzuarbeiten, begrüßen wir ausdrücklich und werden sie in den Runden Tisch gegen Rechts einbringen, sollte die SPD es nicht tun.

Mit antifaschistischen Grüßen

Fritz Ullmann

„Stellungnahme der UWG zu Veröffentlichung des LF (Linkes Forum)“

Der Pressesprecher der UWG, Arming Barg, hat eine wortgewandte und clevere Stellungnahme zu dem dem LF-Artikel „Radevormwald: Fraktionen wollen 2017 drei Mal so viel Geld ausgeben“ abgegeben (welche der Fraktionsvorsitzende der UWG, Bernd-Eric Hoffmann, auf der Webseite der UWG selbst wiederum kommentiert).

Diese Stellungnahme kann man im Stadtnetz Radevormwald lesen. Das sollte man auch unbedingt tun! Danach stellt sich gar nicht mehr die Frage, ob die Spendenfreude der UWG es nicht merkwürdig erscheinen lässt, wenn deren Vorsitzender auf der anderen Seite klagt, dass sie mehr Geld aus der Stadtkasse benötigt, um ihre politische Arbeit zu machen – während die UWG gleichzeitig keine Mitgliedsbeiträge erhebt, um Interessierte nicht vom Engagement bei der UWG abzuschrecken.
Schade nur, dass die UWG diese Möglichkeit nicht nutzt, um etwas zu der auch von ihr geforderten Erhöhung der Zuwendungen an die Fraktionen zu sagen.

Und: Er hat uns erwischt. Wir sammeln höchst selten Spenden für fremde Zwecke. Wir machen lieber kritische, oppositionelle Politik, als mit Geldgeschenken auf uns aufmerksam zu machen.

Nach Paris: Bekämpft den Wahnsinn mit Vernunft!

Heute sind unsere Gedanken bei den Opfern des Terrorismus in Frankreich. Die Anschläge von Paris haben uns die ganze Tragweite der Auseinandersetzungen, in die wir als Einwohner unserer Länder verstrickt werden, erneut vor Augen geführt. Wir müssen angesichts dieses Schreckens zu Umsicht, Vorsicht und, am wichtigsten, Vernunft mahnen.

Wir – Linke, Sozialisten, Kommunisten – sind grundsätzlich solidarisch mit allen Zivilisten, die mit heimtückischer Gewalt angegriffen werden, ob nun durch das türkische Militär oder Selbstmordattentäter des IS. Unsere Gedanken sind bei den ausgelöschten Leben und den Hinterbliebenen, denen wir nun nur noch Kraft im Angesicht unersetzlicher Verluste wünschen können. Die Ereignisse in Paris sind ein Schlag gegen den relativen Frieden in den westlichen Ländern, von denen aus der so genannte Krieg gegen den Terrorismus geführt wird. Sie sollen uns erschüttern und verunsichern.

Der Westen muss jetzt ruhig abwägen, wie er reagiert. Was gestern in Paris geschehen ist darf nicht dazu führen, dass nun reflexiv mit militärischen Mitteln reagiert wird. Das sind Mittel, mit denen der Terrorismus nicht bekämpft werden kann. Der Westen hat bei seinem Krieg gegen den Terrorismus insbesondere dem islamischen Terrorismus erst zu seiner heutigen Größe verholfen. Es erscheint unlogisch, aber dieser Krieg macht erwiesenermaßen mehr Terroristen, als er umbringt. Seit 2001 hat sich nicht nur die Zahl der international gesuchten Terroristen vervielfacht, auch die Zahl der Angriffe hatte alleine im Zeitraum vom 2001 bis 2012 um 460% zugenommen: Der Krieg gegen den Terror ist gleichzeitig auch das große Rekrutierungsbüro der Terroristen. Bei den durch westliche Staaten meist aus der Luft geführten Angriffen nehmen die westlichen Militärs eine unglaubliche Zahl ziviler Verluste billigend in Kauf. Sie erscheinen den Menschen am Boden dabei wie feige Mörder, die aus der sicheren Höhe den Tod ohne Unterschied auf Terroristen, Hochzeitsgesellschaften und Krankenhäuser herab regnen lassen. Dazu foltern und entführen die westlichen Geheimdienste, was das Zeug hält, und fügen damit der Humanität und der Demokratie, die sie zu verteidigen behaupten, international unermesslichen Schaden zu. Das sind die Umstände, unter denen junge Menschen zu Terroristen werden.

Ähnlich wie in Israel und Palästina kalkulieren auch die Terroristen des IS die Vergeltungsschläge der von ihnen Angegriffenen mit ein. Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden, auch wenn das bedeutet, den Terrorismus nur mit den Mitteln der Strafverfolgung zu bekämpfen. Wird mit militärischen Mitteln Vergeltung geübt, ist das nur eine Bestätigung für die Terroristen die sich gegenüber den „Kollateralschäden“ (den Opfern der westlichen Luftangriffe) als deren Beschützer verkaufen.

Und als wäre die Situation an diesem Punkt nicht schon kompliziert genug, waren und sind westliche Staaten seit Jahrzehnten immer wieder so verantwortungslos, Bündnisse mit religiösen Fanatikern einzugehen, wenn ihnen diese nutzen könnten. Diese wahnsinnige Politik hat ihren Anfang schon Ende der 70‘er des letzten Jahrhunderts in Afghanistan genommen, als die USA dort Gotteskrieger beim Kampf gegen die gewählte sozialistische Regierung unterstützten. Die IS ist das jüngste Kind dieser Familie. So lange der Westen seine Rolle in diesem Spiel verleugnet und stattdessen selbst auf islamistische Terroristen als Handlanger im Kampf gegen seine eigenen Feinde, wie zuletzt in Libyen und Syrien, zurück greift, ist eine Lösung des Problems unmöglich. Die Opfer von Paris klagen nicht nur ihre Mörder an, sondern auch jene, die ihnen die Waffen gaben und geben.

Gleichzeitig muss man denen entschieden widersprechen, die nun einen Zusammenhang zwischen der Religion und dem religiösen Fanatiker leugnen wollen: Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Terror des Islamischen Staates sowie anderer moslemischer Mörderbanden und dem Islam.

Wie jede Religion, keinesfalls zuletzt das Christentum, ist auch der Islam zu höchster Unmenschlichkeit bei der Durchsetzung seiner Ziele fähig. Dass es zwischen den Moslems teils erhebliche Differenzen bei der Auslegung des Koran gibt, ist dabei nicht wirklich relevant. Moderate Moslems sind ebenso wie moderate Christen bemüht, die oft blutlüsterne und perverse Hetze in ihren „heiligen Schriften“ als Gleichnisse zu verharmlosen, die so nur in einem bestimmten kulturellen Zusammenhang verstanden werden dürften (während sie gleichzeitig die unveränderliche Unfehlbarkeit ihrer imaginären Vaterfigur betonen). Die Wahrheit ist, dass man den irrationalen Aspekt des religiösen Glaubens nicht von dem mörderischen Irrsinn trennen kann, mit dem fanatische Gläubige Ungläubige und Andersgläubige bekämpfen, denn aus dem Glauben und ihrem unterstellten Wissen um die Wünsche ihres Superwesens leiten sie ihre Rechtfertigungen ab – aber das ist keine Eigenheit des Islam. Dabei sind die Fundamentalisten aus allen Lagern stets näher an dem Wortlaut ihrer „heiligen Schriften“. Übrigens: Deswegen nennen wir sie so. Sie berufen sich auf die Fundamente ihrer jeweiligen Religion, und der Keller ist feucht, schimmlig und voller Leichen.

Religionsgemeinschaften sind keine Verteidiger des Friedens sondern selbst-erklärte Feinde des Fortschritts und der Vernunft. Will die Menschheit erwachsen werden, muss sie sich endlich von all diesen Märchen aus der Bronzezeit verabschieden.

Eine Vermischung der Vorfälle mit der Flüchtlingsdiskussion in Deutschland ist irrational und kontraproduktiv.

Diese Menschen, die uns in diesen Tagen auch in großer Zahl aus Syrien erreichen, flüchten vor den selben militärisch organisierten Terroristen, die sich zu den Anschlägen von Paris bekannt haben. Sie kommen aus einem Land, dass eine weit strengere und konsequentere Trennung von Religionen und Staat pflegt, als zum Beispiel das Bundesland Nordrhein-Westfalen (in dessen Verfassung die Ehrfurcht vor Gott als Ziel der Erziehung nach wie vor verankert ist). Syrien ist ein Staat, in dem traditionell Christen, Juden, Alewiten, Schiiten und Sunniten gleichberechtigt neben einander leben. Diese Menschen tragen weit weniger Schuld an dem Terror als unsere eigenen Regierungen. Wir müssen entschlossen jedem entgegentreten, der die Tragödie von Paris benutzen will, um seine fremdenfeindliche und rassistische Hetze zu verbreiten und Vorurteile gegen diese Menschen zu schüren, die ihre Heimat verließen um ihr Leben zu retten.

Seid stark und beherrscht Euch, zeigt Vernunft im Angesicht der Unvernunft.

VVN-BdA: Aufruf zur Unterstützung ukrainischer Antifaschisten

VVN-BdA_150x216In seinem Beitrag zur Diskussion in der VVN-BdA „Den Bruderstaat gibt es nicht“ (antifa vom Sept./Okt. 2014, Beilage S.2) warnt Mathias Wörsching vor linker Verklärung und Glorifizierung eines imperialen Bonapartisten und Chauvinisten namens Putin. Die russische Großmacht betreibe eine kriegerische Annexionspolitik, die keinen Deut besser sei als die westliche. Ebenso sei dem Bürgerkrieg in der Ukraine keine gerechte Seite abzugewinnen.900px-Flag_of_Novorussia_(project).svg

Dies sind die zwei wesentlichen Aussagen des Artikels: 1. Russland = Westen; 2. Donezk/Lugansk = Kiew. „Ebenso“ ist dabei das Zauberwort, das die Parteinahme der VVN-BdA in einer schrecklich grauen Welt voller Nationalisten und Faschisten begründen soll. Von seiner Einschätzung Russlands schließt Wörsching umstandslos auf die Situation in der Ukraine und verschreit letztlich jedwede Parteinahme zugunsten der Donezker und Lugansker Volksrepubliken als „ebenso abscheulich“ wie den Interventionismus seitens des Westens und der Kiewer Regierung. Wörsching nimmt die dem „Regime“ Putins zugeschriebenen ideologischen Prämissen und Herrschaftspraktiken zum willkommenen Anlass, die Ostukrainer als „ebenso abscheuliche Faschisten“ wie die westukrainischen Faschisten zu denunzieren und die Solidarität mit den Ostukrainern und ihren als „selbstgemacht“ geschmähten politischen Institutionen zu verwerfen.

Mit solchen gewagten Analogieschlüssen erschwert Wörsching die bitter nötige Debatte in der VVN-BdA. Er verfehlt sogar seinen erklärten Zweck einer solidarischen Kritik an Tendenzen allzu euphorischer Identifikation mit Putin. Denn er benutzt Putin als den Teufel, der die VVN-BdA von der Seite der Donezker und Lugansker Volksrepubliken verscheuchen soll, vermischt also absichtsvoll zwei Fragen, um damit im Ukrainekonflikt Partei gegen die notgedrungen staatlich organisierten Antifaschisten in der Ostukraine zu beziehen.

Die VVN-BdA braucht eine Debatte um die Frage, wie Putin und die Russische Föderation einzuschätzen sind. Und die VVN-BdA braucht Klarheit über den Charakter der Bürgerkriegsparteien in der Ukraine. Beide Fragen hängen miteinander zusammen, aber nicht auf die Weise, die Wörsching insinuiert. Weiterlesen

Häusliche Gewalt: Anstieg der Strafanzeigen

Die Ärztekammer NRW berichtet, dass die Zahl von Strafanzeigen mit dem Tatvorwurf häuslicher Gewalt über die letzten 10 Jahre dramatisch zugenommen haben. Ob das auf eine Verbesserung des Opferschutzes und der Bereitschaft der Opfer, häusliche Gewalttaten anzuzeigen, oder auf einen tatsächlichen Anstieg der Fälle zurückzuführen ist, kann man nicht sagen.

Auf der Internetseite des ZDF findet sich hier eine knappe Zusammenfassung. Der Artikel beginnt reißerisch mit der Behauptung: „Häusliche Gewalt nimmt immer mehr zu“. Das aber kann man alleine mit den verglichenen Zahlen gar nicht belegen. Kurz darauf relativiert : „Grund für den Anstieg sei nicht nur eine reale Zunahme an Gewalttaten“ – Zwangsläufig, denn die Dunkelziffer wird hoch geschätzt, ist aber unbekannt. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass einzelne Beschuldigte zu Unrecht verdächtigt werden, also gar keine Straftat vorlag. Hier wäre es aussagekräftiger gewesen, hätte die Ärztekammer NRW die Zahl entsprechender Verurteilungen zu Grunde gelegt.

Das bedeutet natürlich auch nicht, dass es keinen Anstieg häuslicher Gewalt gegeben hat, aber das ist mit diesen Zahlen einfach nicht nachweisbar. Ich finde reißerische Schlussfolgerungen immer bedenklich, weil sie die Diskussion verfälschen und der Findung angemessener Lösungen eher noch im Weg stehen.

Diese Zahlen kann man auch so interpretieren, dass die Bereitschaft der Opfer, Täter anzuzeigen, zugenommen hat – und das wäre ein großer Fortschritt im Kampf gegen ein Verbrechen, das vorzugsweise hinter verschlossenen Türen begangen wird. Zumindest sofern es sich bei den Opfern um Frauen handelt, hat eine in der deutschen Öffentlichkeit immer bereitwilliger geführte Debatte sicher einen Einfluss auf die Entscheidung, den oft langjährigen Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen und den Täter anzuzeigen.

Trotzdem: Keiner weiß belastbar, wie viele Fälle von häuslicher Gewalt es in Deutschland gibt und erst Recht nicht, in wie vielen Fällen das ein systematisches Verhalten ist, was wiederkehrend oder fortgesetzt und gegebenenfalls sogar bewusst oder unbewusst gegen den Partner eingesetzt wird. Seit den 70’ern versuchen Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen unter teils erheblichen Widerständen Licht in die Wohnungen der Welt zu bringen und zu analysieren, welches Ausmaß an Gewalt in klassischen Beziehungsmodellen an der Tagesordnung ist. Einigkeit herrscht aber nur in dem Punkt, dass häusliche Gewalt ein allgemein in klassischen Beziehungsmustern verbreitetes Phänomen ist.

Die stillsten Opfer sind Männer

Ganz besonders dramatisch ist die Situation bei männlichen Opfern häuslicher Gewalt, die ja, selbst wenn sie Anzeige erstatten möchten, oft genug von der Polizei einfach abgewiesen werden und auf Grund der nach wie vor fehlenden Stigmatisierung von psychischer und körperlicher Gewalt gegen Männer auch keine anderweitige Hilfe erhalten. Dass männliche Opfer darüber hinaus in der öffentlichen Diskussion meistens gar nicht berücksichtigt werden, ist Ausdruck dieses Umstands ebenso wie es die Lage der betroffenen weiter verschärft. Diese Hilfe müsste ihnen aber geboten werden, wenn sich die Lage der Opfer verbessern sollte. Gewalt ist, gerade auch in einer Partnerschaft, keine Bagatelle.

Entwarnung kann man in keinem Fall geben. Auch wenn die wirklichen Zahlen nicht ohne Weiteres ermittelbar sind und selbst wenn es keinen tatsächlichen Anstieg geben sollte, häusliche Gewalt bleibt ein sehr verbreitet. Es bleibt sehr viel zu tun, bis das gesellschaftliche Problem der häuslichen Gewalt auch nur ansatzweise angemessen behandelt werden kann.

Linkspartei Oberberg: Warum die Auseinandersetzung offen geführt werden muss

In der um die Gespräche zwischen Nazis und Vorstandsmitglied(ern) der Linkspartei Oberberg auf deren Sommerfest geführten Debatte wurde uns vorgeworfen, wir dürften derartige Vorgänge nicht veröffentlichen. Ich will hier beispielhaft und auszugsweise einen Brief veröffentlichen, den ich als Antwort an ein Mitglied der Linkspartei geschrieben habe, um zu erklären, warum wir der Ansicht sind, dass gerade das getan werden muss, dass diese Diskussion öffentlich zu führen ist.

Lieber Genosse,

[…]

Ohne jetzt weiter auf den genauen Streitgegenstand im Detail einzugehen – wir haben unseren Standpunkt in unseren Stellungnahmen erläutert und ich meinen sicherlich noch umfangreicher in meinen Kommentaren – will ich Dir antworten.

Erstens ist der Schaden für die Partei, sofern er aus dem Handeln der Partei und dem ihrer Funktionäre entsteht, logische Konsequenz dieser Handlungen und kann nicht maßgeblich für die Frage sein, ob man solche Vorgänge aufklärt, oder nicht. Fehler und grobes Fehlverhalten müssen Konsequenzen haben, ansonsten würden wir bei „den Unseren“ einen anderen, geringeren Maßstab ansetzen, als bei unseren politischen Gegnern. Die Messlatte kann für uns selbst aber nur höher sein: Linke sind Menschen mit Prinzipien, grundsätzlichen Werten, die wir auch unter- und, nötigenfalls, gegeneinander vertreten müssen.

Zweitens dreht es sich bei dem, was dort geschehen ist, nicht um einen Partei-internen Vorgang, der nur Partei-Mitglieder oder das Verhältnis der Partei zu sich selbst betreffen würde. Er ist seiner Natur nach bereits öffentlich, da er sich gegen Dritte richtete und einen Bruch mit allgemein gültigen Prinzipien der linken Bewegung bedeutet. Diese Öffentlichkeit zu verneinen würde bedeuten müssen, das Geschehene auch gegenüber Betroffenen zu vertuschen.

Drittens habe ich die Ziele der Partei DIE LINKE so verstanden: DIE LINKE ist der Ansicht, eine Aufklärung von skandalösem Verhalten geschieht am Besten transparent, in aller Öffentlichkeit. Das muss auch für sie selbst gelten. Wie sonst könnte man glaubhaft Whistleblower unterstützen und einen besseren Schutz für sie vor Repressalien und Sanktionen fordern? Der Bedarf, darüber zu reden, kann nicht schlimmer sein, als der Vorfall an sich.

[…]

Mit besten Grüßen
Fritz Ullmann

Interview zum Libyen-Krieg und der Resolution der LINKEN Radevormwald

Auf der 5. Ortsmitgliederversammlung in Radevormwald verabschiedete DIE LINKE Radevormwald meinen Beitrag zum Libyen-Krieg vom 24. August als Resolution zum Libyen-Krieg. Es wurde beschlossen, diese Resolution am 10./11. September 2011 ebenfalls auf dem Landesparteitag in Mülheim zum Beschluss vorzulegen.

Hierzu hat die Redaktion von dielinkeoberberg.de mit mir als Mitverfasser der Resolution ein kurzes Interview geführt, dass Sie hier ebenfalls lesen können.

Redaktion:
Eure Resolution macht aufmerksam auf die Errungenschaften Libyens nach der Revolution von 1969. Wie konnte sich Eurer Meinung nach der Bürgerkrieg, die Revolte gegen Ghaddafi heute in dieser Härte entwickeln, wenn es der Bevölkerung im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten gar nicht so schlecht ging?

Fritz Ullmann:
Das, was wir heute in Libyen haben, ist kein Bürgerkrieg. Es ist ein Krieg von mehreren Großmächten gegen einen souveränen Staat. Er wird mit der Absicht geführt, dessen Ordnung zu zerstören. Hierbei bedient man sich einer Gruppe von Banditen: Teils Islamisten, teils Stämme die dem letzten König folgten, teils Rassisten die die von Ghaddafi durchgesetzte Gleichstellung der Schwarzafrikanischer aufheben wollen, teils Überläufer aus dem libyschen Staatsapparat. Da hat man keine Berührungsängste. Die Summe dieser Leute nennt man dann Freiheitskämpfer. Den Titel hatte auch Osama Bin Laden schon von den Amerikanern erhalten. Wir haben in der Resolution nicht ohne Grund auch auf die Strategiepapiere der USA hingewiesen, in denen genau eine solche Situation für Libyen vorgesehen war.
„Diese Härte“ konnte sich also nur entwickeln, weil der Westen alles getan hat, um die Situation eskalieren zu lassen und dann Frieden zu verhindern – also seinen Krieg vorzubereiten und dann zu führen.

Dabei hat die NATO die Resolutionen der UNO, 1970 und 1973, auf die sie sich angeblich berief, gezielt gebrochen. Die UN fordert ein Waffenembargo gegen Libyen – Die NATO versorgt den „Nationalen Übergangsrat“ mit Waffen und bildet seine Kämpfer aus. Die UNO fordert eine Flugverbotszone über Libyen – Die NATO überfällt den libyschen Luftraum und bombardiert militärische Ziele und von den „Rebellen“ belagerte Städte.
Waffenstillstandsangebote der libyschen Regierung wurden genauso abgelehnt, wie Vermittlungsversuche der Afrikanischen Union und verschiedener einzelner Staaten, darunter Venezuela.
Dieser Krieg hat mit dem Wohlstand der Bevölkerung nichts zu tun.
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DIE LINKE, antiklerikal? Na klar!

Oberberg-Aktuell (LINK) berichtete heute, dass DIE LINKE im Stadtrat Gummersbach in einem Brief die Verpflichtung von Hagen Rether zu einer Sonderveranstaltung scharf kritisiert hätte. Das ist so zwar nicht richtig, denn es handelt sich meiner Kenntnis nach nicht um einen Fraktionsbeschluss. Aber zu den wenigen dem Presseartikel zu entnehmenden Auszügen des Briefes nahm Felix Staratschek, Mitglied der erweiterten Fraktion der AL im Rat der Stadt Radevormwald (ansonsten bei der rechts-ökologischen ödp aktiv), auf Oberberg-Aktuell verwundert Stellung:

„Ich wusste gar nicht, dass die Linken antiklerikal sind! ich dachte immer die sind politisch. das klerikale ist religiös. …“

Hierzu will ich dann doch meinerseits mal in einem offenen Brief ein paar Dinge klar stellen.

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Zur Frage: Kritik und Selbstkritik

Kritikfähigkeit, sowohl die aktive als auch die passive, ist eine der Fähigkeiten, die bei neuen Mitgliedern in unserer Partei, wie auch bei einigen verhinderten Karrieremenschen, deren Irrweg in unsere Partei führte, am wenigsten entwickelt ist und folglich entwickelt werden muss. Auch ältere Genossen sind hiervor nicht gefeit. Diese Fähigkeit zu erlernen ist Voraussetzung, um die eigene Arroganz zu zügeln.

Ich will hierzu mit einem Zitat einleiten:

Die innerparteiliche Kritik ist eine Waffe zur Festigung der Parteiorganisation und zur Verstärkung der Kampffähigkeit der Partei. In dieser Parteiorganisation der Roten Armee trägt die Kritik jedoch manchmal nicht diesen Charakter, sondern verwandelt sich in persönliche Angriffe. Das Ergebnis ist, daß nicht nur einzelne Menschen, sondern auch die Parteiorganisationen Schaden erleiden. Darin äußert sich ein kleinbürgerlicher Individualismus.

Die Methode der Berichtigung dieses Fehlers: Man muß den Parteimitgliedern begreiflich machen, daß die Kritik den Zweck hat, die Kampffähigkeit der Partei zu steigern, um den Sieg im Klassenkampf zu erringen, und nicht als Werkzeug für persönliche Angriffe benutzt werden darf.

Ebenda

Es lohnt, sich hierzu Gedanken zu machen.

Was bedeutet es aber in der Praxis? Dass wir Kritik an der Sache in der richtigen Form äußern sollen. Die Sache ist die Politik und alles was für die Politik, die Arbeit der Partei, von Belang ist. Die Form ist die Rücksicht auf die Persönlichkeit des Kritisierten bei gleichzeitiger Deutlichkeit, Klarheit in der Sache. So ist es zulässig, einen Genossen begründet zu beschuldigen, er habe sich an der Partei bereichert. Wenn es Grund hierzu gibt, ist es sogar eine Pflicht. Der Fehler muss ohne Schonung geklärt werden.

Aber die Kritik muss sich auf den konkreten Fall beschränken! Es darf nicht sein, dass dieser Fehler – wenn er auch schwer genug sein mag, um dem Genossen seine Funktion oder sogar seine Mitgliedschaft in der Organisation abzuerkennen – dazu führt, dass der Genosse als Mensch bei jeder Gelegenheit beschuldigt wird, ein gänzlich schlechter Mensch zu sein, ihm Gier und Geiz in jedem Fall unterstellt werden und man gar beginnt, über ihn in seiner Abwesenheit zu sprechen, nicht aber mehr in seiner Gegenwart; und darüber dann noch die Fehler Anderer übersehen und eigene Fehler kaschiert werden. Der Fehler des Genossen darf nicht als Mittel dienen, sich selbst zu erhöhen. Er darf nicht Entschuldigung für eigene Fehler sein. Er darf nicht Grund für weitere Fehler werden.

All dies ist in unserer Partei in den letzten zwei Jahren vorgekommen. Und all dies muss bereinigt werden. Sicherlich gibt es Unverbesserliche, die ihr Verhalten weder ändern können noch wollen. Dennoch will ich klar sagen, dass ich auch bei mir zugetanen Mitgliedern, mit denen ich oft verkehre, solche Tendenzen zur persönlichen Verurteilung erkenne.

Drüber, Genossinnen und Genossen, müssen wir zu stehen lernen.