Interview zum Libyen-Krieg und der Resolution der LINKEN Radevormwald

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Auf der 5. Ortsmitgliederversammlung in Radevormwald verabschiedete DIE LINKE Radevormwald meinen Beitrag zum Libyen-Krieg vom 24. August als Resolution zum Libyen-Krieg. Es wurde beschlossen, diese Resolution am 10./11. September 2011 ebenfalls auf dem Landesparteitag in Mülheim zum Beschluss vorzulegen.

Hierzu hat die Redaktion von dielinkeoberberg.de mit mir als Mitverfasser der Resolution ein kurzes Interview geführt, dass Sie hier ebenfalls lesen können.

Redaktion:
Eure Resolution macht aufmerksam auf die Errungenschaften Libyens nach der Revolution von 1969. Wie konnte sich Eurer Meinung nach der Bürgerkrieg, die Revolte gegen Ghaddafi heute in dieser Härte entwickeln, wenn es der Bevölkerung im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten gar nicht so schlecht ging?

Fritz Ullmann:
Das, was wir heute in Libyen haben, ist kein Bürgerkrieg. Es ist ein Krieg von mehreren Großmächten gegen einen souveränen Staat. Er wird mit der Absicht geführt, dessen Ordnung zu zerstören. Hierbei bedient man sich einer Gruppe von Banditen: Teils Islamisten, teils Stämme die dem letzten König folgten, teils Rassisten die die von Ghaddafi durchgesetzte Gleichstellung der Schwarzafrikanischer aufheben wollen, teils Überläufer aus dem libyschen Staatsapparat. Da hat man keine Berührungsängste. Die Summe dieser Leute nennt man dann Freiheitskämpfer. Den Titel hatte auch Osama Bin Laden schon von den Amerikanern erhalten. Wir haben in der Resolution nicht ohne Grund auch auf die Strategiepapiere der USA hingewiesen, in denen genau eine solche Situation für Libyen vorgesehen war.
„Diese Härte“ konnte sich also nur entwickeln, weil der Westen alles getan hat, um die Situation eskalieren zu lassen und dann Frieden zu verhindern – also seinen Krieg vorzubereiten und dann zu führen.

Dabei hat die NATO die Resolutionen der UNO, 1970 und 1973, auf die sie sich angeblich berief, gezielt gebrochen. Die UN fordert ein Waffenembargo gegen Libyen – Die NATO versorgt den „Nationalen Übergangsrat“ mit Waffen und bildet seine Kämpfer aus. Die UNO fordert eine Flugverbotszone über Libyen – Die NATO überfällt den libyschen Luftraum und bombardiert militärische Ziele und von den „Rebellen“ belagerte Städte.
Waffenstillstandsangebote der libyschen Regierung wurden genauso abgelehnt, wie Vermittlungsversuche der Afrikanischen Union und verschiedener einzelner Staaten, darunter Venezuela.
Dieser Krieg hat mit dem Wohlstand der Bevölkerung nichts zu tun.

Redaktion:
Gibt es Parallelen zu den Demokratie- und Freiheitsbewegungsrevolten in den umliegenden Diktatorstaaten?

Fritz Ullmann:
Nein, Parallelen in dem Sinne gibt es nicht, wenn auch die Unruhen in Libyen nur in einer solchen Atmosphäre initiiert werden konnten.
Nein konkret insofern, als dass allem Anschein nach der tatsächliche Rückhalt der „Rebellen“ in der Bevölkerung für eine Veränderung in ihrem Sinne gering ist. In den anderen arabischen Staaten ist die staatliche Gewalt durch die erhebliche Beteiligung der Bevölkerung schlicht überwältigt worden, und das in weit kürzerer Zeit. Tatsächlich war der ganze Ablauf völlig anders. Militärische Unterstützung durch den Westen haben diese Aufständischen, zum Beispiel in Ägypten, zu keinem Zeitpunkt erhalten, im Gegenteil war der Westen auch diplomatisch höchst zurückhaltend. Dazu kommt, dass sich in diesen Fällen eigentlich nichts grundlegendes verändert hat. Bleiben wir bei Ägypten: Hier regiert nun das selbe Militär, das die vorangegangene Regierung gestützt hat. Die Priorität des Westens war hier zu jeder Zeit „Stabilität“.
Nein auch insofern, als dass es dem selbsternannten „Nationalen Übergangsrat“ – schon eine solche Institution hat es in keinem der anderen Fälle so gegeben – sicherlich nicht um Demokratie geht. Diese Organisation hat ja nicht nur jedes Waffenstillstandsangebot der libyschen Regierung, sondern sogar das Angebot zu freien und neutral überwachten Wahlen abgelehnt. Das erinnert mich eher an die südvietnamesische Diêm-Diktatur um 1955.
Wer Wahlen grundsätzlich ablehnt weiß, dass er sie verlieren würde.

Redaktion:
Ist die Eskalation in diesem Bürgerkrieg nicht der Brutalität und der Entfremdung des Ghaddafi-Clans gegenüber dem libyschen Volk zuzuschreiben?

Fritz Ullmann:
Hierfür habe ich keine Beweise gesehen, die mich überzeugt hätten. Im Gegenteil muss der Rückhalt von Ghaddafi in der Bevölkerung hoch sein, wenn trotz absoluter Lufthoheit seiner Gegner und massiver Angriffe durch NATO-Bomber – mittlerweile weit über 20.000 – die Rebellen auch nach sechs Monaten den Machtwechsel noch nicht nachhaltig erzwingen konnten.
Aus dem selben Grund fehlt ja, wie wir in unserer Resolution festgestellt haben, der Bande um den „Nationalen Übergangsrat“ jede Legitimation. Aus eigener Kraft konnten sie offensichtlich gar keine Veränderung bewirken und selbst mit massivster militärischer Hilfe tun sie sich sehr schwer. Selbst westliche Medien räumen Plünderungen und Mord ein – Es sind ganz offensichtlich sie, die gezwungen sind, die Bevölkerung gewaltsam zu unterdrücken, um ihren Machtanspruch durchzusetzen.

Redaktion:
Ghaddafi wurde jahrzehntelang von westlichen Staaten, darunter auch Deutschland, unterstützt und als Verbündeter gegen den Terrorismus geschätzt. Deutschland genehmigte schließlich jahrelang Rüstungsexporte nach Libyen. Wie erklärt Ihr diesen Sinneswandel?

Fritz Ullmann:
Das ist kein Sinneswandel. Das Kapital strebt nach Profit. Man macht immer zumindest die Geschäfte, die man eben machen kann. Ich würde mich darüber nicht wundern, denn es war nie anders. Dieses Wirtschaftssystem kennt keine Moral. Die westlichen Staaten, auch Deutschland, sind in ihrer Außenpolitik immer schon opportunistisch gewesen.

Redaktion:
DIE LINKE forderte immer, die NATO solle sich nicht an diesem Krieg beteiligen. Der NATO-Generalsekretär Rasmussen verteidigt die Fortsetzung des Einsatzes auch nach dem Sturz des Diktators. Wie beurteilt Ihr die Situation zur Beendigung des Bürgerkrieges?

Fritz Ullmann:
Der Krieg der NATO wäre nach dem Sturz der libyschen Regierung nicht mehr oder weniger illegal, als er es heute ist. Aber soweit sind wir noch nicht, denn der Krieg ist noch nicht vorbei.
Wir fürchten, dass dem Land ein noch längerer Krieg bevorsteht. Wir können sicher feststellen, dass die „Rebellen“ ohne die Hilfe der NATO nicht stark sind. Das hat sich durch ihre eigene Unfähigkeit erwiesen. Das libysche Volk wird die Plünderungen und auch die Bombardierungen ihrer Städte nicht vergessen. Der „Nationale Übergangsrat“ soll Statthalter einer Fremdherrschaft werden. Seine Autorität ist nicht vom Volk gegeben, sondern mit den Waffen fremder Staaten erzwungen. Die Afrikaner kennen das aus Jahrhunderten der Unterdrückung – Unterdrückung durch die selben Staaten, die jetzt Libyens Städte bombardieren.
Ich persönlich denke, dass der Rückhalt für Ghaddafi in der Bevölkerung eher größer werden könnte. Viel wird sich an seiner Person entscheiden, weswegen es für den „Nationalen Übergangsrat“ so wichtig ist, ihn gefangen zu nehmen.

Redaktion:
Wie seht Ihr die Entwicklung für das Libysche Volk in Zukunft?

Fritz Ullmann:
Wenn der „Nationale Übergangsrat“ weiterhin weite Teile des Landes kontrolliert, werden weiterhin Hunger und Not herrschen. Der Lebensstandard, den der libysche Staat erreicht hat, ist dann verloren. Auch wird der „Nationale Übergangsrat“ dem Westen bei der Ausbeutung der Ölvorkommen des Landes sicherlich einen weit größeren Anteil an den Profiten zugestehen, als dies vorher der Fall war.
International ist die Lage noch schwieriger. Die große Mehrheit der Staatengemeinschaft erkennt eine mögliche Regierung des „Nationalen Übergangsrates“ nicht an, darunter die meisten afrikanischen und südamerikanischen Staaten. Sie betrachten die Einmischung als „Teil eines Plans zur Rekolonialisierung des Kontinents“, wie es eine Versammlung von über 200 afrikanischen Intellektuellen im August in Johannesburg, Südafrika, auf den Punkt brachte. Venezuela, Kuba und Nicaragua haben erklärt, auch zukünftig keine Regierung anzuerkennen, die auf Grund einer ausländischen Intervention installiert wird. Und trotz „internationalem Haftbefehl“ ist die Liste der Staaten, die den Mut haben, Ghaddafi Asyl anzubieten lang und wird eher länger als kürzer.
Zusammenfassend sehen wir es also so, dass wenn der libysche Staat endgültig an den „Nationalen Übergangsrat“ fällt, dem libyschen Volk Armut, Unterdrückung, wirtschaftliche Ausbeutung und ansonsten internationale Isolation bevorstehen.

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