Rede anlässlich des antifaschistischen Festes “HARDTEINANDER” am 14.8.2010

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Von Sebastian Schröder, im Auftrag des SprecherInnenkreises der VVN-BdA Wuppertal

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten

Ich möchte mich ganz herzlich im Namen der VVN-BdA für die Einladung durch den Koordinationskreis Antifaschismus bedanken und freue mich, dass die Ausstellung “Neofaschismus in Deutschland” auf diesem antifaschistischen Fest gezeigt wird.

Gemeinsam von der VVN-BdA und ver.di Nord wird die aktualisierte Version an vielen Orten in Deutschland präsentiert, und wir hoffen, diese wichtige Ausstellung bald auch in Wuppertal zeigen zu können. Wir laden alle Organisationen, Gruppen und Personen ein, sich an der Konzeption und der Gestaltung des geplanten Begleitprogrammes zu beteiligen!

Es wird aufgeklärt über Ideologie, Struktur, Zusammenhänge des Neofaschismus und natürlich über antifaschistische Gegenstrategien.


Um den deutschen Faschismus von 1933 bis 1945 zu verstehen, ist es zentral, den Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus zu benennen, denn erst durch die Unterstützung der Großindustrie wurde der Faschismus an die Macht gebracht. Im Januar 1932 sprach Hitler im Düsseldorfer Industrieclub vor Vertretern des Kapitals, Ende 1932 forderten 40 hochrangige Wirtschaftsvertreter von Reichspräsident Hindenburg, Hitler die Leitung der Regierung zu übertragen. “Kurt Freiherr von Schröder, Bankier im Bankhaus Stein, erklärte im IG Farben-Prozeß nach 1945 unter Eid: `Am 4. Januar trafen Hitler, Papen, Himmler, Kepler in meinem Haus in Köln zusammen. Die allgemeinen Bestrebungen der Männer der Wirtschaft ging dahin, einen starken Führer in Deutschland an die Macht kommen zu sehen. Als die NSDAP ihren ersten Rückschlag vom November 1932 und somit ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend. Ein gemeinsames Interesse der Wirtschaft bestand in der Angst vor dem Bolschewismus und der Hoffnung, dass der Nationalsozialismus, einmal an der Macht, eine beständige wirtschaftliche Grundlage in Deutschland herstellen wird`.” Kurt Bachmann: Wir müssen Vorkämpfer der Menschenrechte sein, Köln 1999, S.42 f.

Die Zerschlagung der Parteien und der Gewerkschaften, die Errichtung der Konzentrationslager und des Systems der Diktatur, die massive Aufrüstung und die Militarisierung aller gesellschaftlichen Bereiche waren die Folgen der Machtübertragung an die deutschen Faschisten. Die Verbrechen der Faschisten- die Verfolgung und Ermordung politischer Gegner, die Ermordung der jüdischen Bevölkerung, der Sinti und Roma, der Behinderten, der sogenannten “Asozialen”, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas – waren Folge dieser Entscheidung maßgeblicher Teile des Großkapitals. Im Zentrum stand die systematische Zerschlagung der Arbeiterbewegung, so Hitler im Industrieclub 1932:”`Wir haben den unerbittlichen Entschluß gefasst, den Marxismus bis zur letzten Wurzel auszurotten.` Und mit Marxismus war nicht nur die KPD, sondern die gesamte Arbeiterbewegung, die Linke gemeint.” Bachmann, a.a.O.

Kurt Pätzold betont für den Holocaust (Die Gegenrevolution – Thesen zur Analyse des historischen Faschismus; www.nrw.vvn-bda.de): „Der deutsche Faschismus an der Macht war der Initiator einer Judenverfolgung, die über die Vertreibung von Hunderttausenden deutschen Juden aus ihrem Vaterland bis zur Vernichtung aller ergreifbaren Juden im deutsch beherrschten Europa reichte.(…) So furchtbar, unvorstellbar, einzigartig in aller bisherigen Weltgeschichte der Massenmord an den Juden war, den die deutschen Faschisten inszenierten und nahe an ihr Ziel führten – die Achse des Regimes und sein Endziel bildete nicht er, sondern die durch Kriege und Eroberung erstrebte weltbeherrschende Stellung des deutschen Imperialismus. Es blieb von 1933 bis Auschwitz dafür gesorgt, daß Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Juden sich diesem Hauptinteresse zuordnete und dessen Rahmen nie sprengte.“

Der Aufbau der Kriegsindustrie mit dem Ziel, möglichst bald mit der Unterwerfung der europäischen Völker zu beginnen, wurde eingeleitet. Die Vernichtungsprogramme, der Holocaust und die Zwangsarbeit wurden ab 1941 im Rahmen dieses Eroberungskrieges durchgeführt. Der Angriff auf die Sowjetunion und die Schaffung deutscher Kolonien “im Osten” stand von Anfang an im Zentrum der imperialistischen Strategie der deutschen Eliten.

Die Verdrehung und Verhöhnung dieser historischen Zusammenhänge erleben wir seit einigen Jahren am Antikriegstag in Dortmund. Die rechte Szene mobilisiert dorthin zum „nationalen Antikriegstag“.

Die Stadt Dortmund und der Polizeipräsident haben auch in diesem Jahr den Nazimarsch genehmigt, obwohl das Bundesverfassungsgericht neuerdings das Verbot der Naziprovokation gebietet.

Deshalb wurden der Dortmunder Polizeipräsident und der neue Landesinnenminister von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten aufgefordert: „Verweigern Sie die Zustimmung zu dem Plan der Nazis und Neonazis, am 4. September in Dortmund Volksverhetzung und Kriegshetze zu betreiben. Handeln Sie entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Mitte November 2009 (Az. 1 BvR 2150/08). „Wegen der besonderen Geschichte Deutschlands gilt in der Frage der Meinungsfreiheit für Nazis eine Ausnahme. ‚Angesichts des Unrechts und des Schreckens, den die Naziherrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht habe’, enthalte das Grundgesetz in diesem Punkt eine Ausnahme vom Verbot, ein Sonderrecht gegen bestimmte Propaganda zu schaffen. Denn ‚das Grundgesetz kann weithin geradezu als Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des national-sozialistischen Regimes gedeutet werden’.“ (Zitiert nach dpa vom 17.11.09) Der neue Paragraph 130 Absatz 4 des Strafgesetzbuches erlaubt mit Zustimmung des Bundesverfassungsgerichts ein Versammlungsverbot, wenn Aggression und Angriff auf die Opfer, Lobpreisung der Gewalt- und Willkürherrschaft gegeben sind.

Die VVN-BdA führte in einer Antwort an den Polizeipräsidenten und die Stadt Dortmund aus: „Unsere Organisation ist eine Organisation der Opfer. Sie wurde für Dortmund 1947 von 2000 Überlebenden des Holocaust, von NS-Opfern und Teilnehmern am Antinazi-Widerstandskampf gegründet. Die Volksverhetzung der Nazis in Dortmund regelmäßig zum 1. September ist unerträglich und wird von uns niemals hingenommen.“

In Wuppertal sitzen seit der Kommunalwahl jeweils ein Vertreter der NPD und der REPs im Stadtrat. Zusammen konnten sie im Vergleich mit der Kommunalwahl 2004 nur geringfügig dazugewinnen, aber sie haben damit doch für 5 Jahren Ressourcen zur Verbreitung rechter Thesen gegen Minderheiten und politische Gegner zur Verfügung. (NPD: “Linksextremisten”, “raumfremde Ausländer”; REP: “Zuwanderung über die Kreißsäle“)

Die Partei “ProNRW” konnte bei der vergangenen Landtagswahl in Wuppertal 2,3 Prozent der Stimmen gewinnen, bei ihrem ersten Wahlantritt. Vor allem in Cronenberg wurde die Partei stark, dort bekam der Direktkandidat 3,8 Prozent der Erststimmen. Diese Partei nennt sich “Bürgerbewegung” und gibt sich basisdemokratisch, aber sie verfolgt ähnliche Ziele wie NPD und REPs. Der Verfassungsschutz beobachtet “ProNRW”, und nicht nur inhaltlich steht die Partei rechts (“Scheinasylanten” “Überfremdung”, “Abschiebung krimineller Ausländer”, “Multi-Kulti-Prestigeobjekte”) , sondern auch personell, denn ein Teil der Kader stammt aus rechten Parteien wie NPD und REPs. “ProNRW” ist auch in Kontakt mit “Vlams Belang” in Belgien, mit der FPÖ in Österreich und der PVV in Holland. Der Schwerpunkt liegt auf antimuslimischer Agitation, ganz auf der Linie der Vorbilder aus Holland und Österreich.

Diese antiislamische Mobilisierung findet auch Sympathien im konservativen Lager; Robert Maus, der Chefredakteur des General Anzeiger, hat mit dem Leiter des Wuppertaler Amtes für Integration und Zuwanderung, Hans-Jürgen Lemmer, ein Interview geführt über “Integration und junge Muslime” und so das Thema in die lokale Öffentlichkeit gebracht (7.8.2010). Auch wenn Herr Lemmer schildert, dass es keinen Widerspruch zwischen dieser Religion und Integration gibt, fragt Herr Maus doch ausschließlich nach Begriffen und Thesen, die den antimuslimischen Diskurs prägen (Parallelgesellschaft, explizite Frage nach Problemen bei Arabern, Türken und Nordafrikanern, Ablehnung der deutschen Gesellschaft durch muslimische Jugendliche nimmt zu, Frage nach dem Inhalt der Predigten in Moscheen, Forderung nach Predigten auf Deutsch). Er eröffnet damit eine Debatte, die den falschen Gegensatz muslimisch – christlich betont und in einem bürgerlichen Umfeld geführt wird.

Die antifaschistischen Kräfte sind aufgefordert, sich kritisch in diese Debatte einzubringen!

Ich möchte die großen Antifaschisten Esther Bejarano und Peter Gingold zitieren; sie geben in ihrem “Appell an die Jugend” Antwort auf die Frage, in welcher Form sich jede/r Einzelne in den antifaschistischen Kampf einbringen kann:

„(…) Wir hoffen auf Euch. Auf eine Jugend, die das alles nicht stillschweigend hinnehmen wird! Wir bauen auf eine Jugend, die sich zu wehren weiß, die nicht kapituliert, die sich nicht dem Zeitgeist anpaßt, die ihm zu trotzen versteht, und deren Gerechtigkeitsempfinden nicht verloren gegangen ist.

Wir setzen auf eine Jugend, höllisch wachsam gegen alles, das wieder zu einer ähnlich braunen Barbarei führen könnte; eine Jugend, die nicht wegsieht, wo Unrecht geschieht, wo Menschenrechte verletzt werden; eine Jugend, die sich in die Tradition des antifaschistischen Widerstandes zu stellen vermag, eine Jugend, die diese Tradition aufnimmt und auf ihre eigene Art und Weise weiterführt. Wir glauben, daß dafür Eure Herzen brennen können, daß Euer Gewissen nicht ruhen wird.

Laßt Euch nicht wegnehmen, was Ihr noch an demokratischen und sozialen Errungenschaften vorfindet. Laßt sie nicht weiter abbauen! Von keinem Regierenden sind sie Euch geschenkt worden:

Es sind vor allem die Errungenschaften des antifaschistischen Widerstandes, der Niederringung des Nazifaschismus. Verteidigt, was Ihr noch habt, verteidigt es mit Klauen und Zähnen!

(…) Und vergeßt nicht: Der Internationalismus und die Solidarität mit den Benachteiligten und Ausgegrenzten sind unentbehrlich in diesem Kampf. Knüpft dieses Band immer fester, macht es unzerreißbar!

Reiht Euch auch ein in die Kampfgemeinschaft VVN-Bund der Antifaschisten, der organisierte Ausdruck des kollektiven Gedächtnisses an Widerstand und Verfolgung. Sie braucht Euch! In absehbarer Zeit wird es keine Zeitzeugen des schrecklichsten Abschnitts deutscher Geschichte mehr geben. Laßt das Vermächtnis des Widerstandes nicht in Vergessenheit versinken, den Schwur von Buchenwald:

»Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel!«

Übernehmt Ihr nun diesen immer noch zu erfüllenden Auftrag: ein gesichertes menschenwürdiges Leben im friedlichen Nebeneinander mit den Völkern der Welt! Sorgt dafür, daß aus der Bundesrepublik ein dauerhaftes, antifaschistisches, humanes, freiheitliches Gemeinwesen wird, in dem einem Wiederaufflammen des Nazismus, nationalem Größenwahn und rassistischen Vorurteilen keinen Raum mehr gegeben wird.

Wir vertrauen auf die Jugend, wir bauen auf die Jugend, auf Euch!“

Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus!

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