UNrecht? Die UNO und die Gang vom „Nationalen Übergangsrat“

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Die Anerkennung des selbsternannten „Nationalen Übergangsrates“ und seiner Kämpferbanden als offizielle Vertretung des libyschen Volkes wurde Ende letzter Woche groß, aber wenig detailliert in den bürgerlichen Medien verkündet. Von der Debatte, die dieser Anerkennung voran ging, sollen die Menschen natürlich nichts erfahren. Und auch Waffen darf man wieder an Libyen liefern – Das hat Großbritannien beantragt.

Das Ergebnis liest sich einvernehmlicher, als es ist. 114 der gegenwärtig 193 Mitgliedsstaaten der UN stimmten dafür, dem „Nationalen Übergangsrat“ den libyschen Sitz in der UNO zuzusprechen – trotz der anhaltenden Kämpfe und trotz der systematischen Kriegsverbrechen, derer unter anderem Amnesty International den „Nationalen Übergangsrat“ beschuldigt. Nun vertritt eine Gruppe das libysche Volk, dass Schwarzafrikaner jagd, jede besetzte Stadt in ein Chaos gestürzt und die Bombardierungen libyscher Städte durch die NATO mit zu verantworten hat. Eine Gruppe, die nie gewählt wurde, und die die Namen all ihrer Mitglieder weiterhin nicht bekannt gibt.

Was ist mit den Anderen?

17 Staaten stimmten gegen die Empfehlung des Mandatsprüfungsausschusses der NATO. Unter diesen waren die meisten fortschrittlich geführten Staaten. Insbesondere Angola, Bolivien, Kuba, die Demokratische Republik Kongo, Ecuador, Kenia, Namibia, Südafrika, Tansania, Venezuela, Sambia und Simbabwe machten sich für Libyen stark.

Angola stellte grundsätzlich das Verfahren, die Legalität und die Grundsätze des Ausschusses in Frage. Das Verfahren entspräche eindeutig nicht der Geschäftsordnung der Vollversammlung, da vorgeschrieben ist, dass Anträge auf die Vertretung in der UNO durch den Staats- oder Regierungschef an den Generalsekretär der UNO zu übergeben sind, was im vorliegenden Fall nicht geschehen war. Bolivien monierte, dass nicht einmal die Zusammensetzung des selbsternannten „Nationalen Übergangsrates“ bekannt sei. Wie kann man ihn also als legitime Vertretung des libyschen Volkes betrachten?

Venezuela und Kuba lehnten den Versuch, „aus Libyen ein NATO-Protektorat zu machen“, entschieden ab. Venezuelas Vertreter verurteilte den Krieg der NATO ausdrücklich. Man werde nun aufgefordert, eine Gruppierung anzuerkennen, die unter der Anleitung der USA und der NATO agiere, aber keine demokratische Legitimation oder moralische oder legale Autorität besitze. Damit wurde ein „abscheulicher Präzedenzfall“ geschaffen, der selbst die elementarsten Grundsätze des Völkerrechts verletze. Kuba wies darauf hin, dass es bekannt sei, dass die NATO lediglich den „Schutz der Zivilbevölkerung“ zum Vorwand genommen hat, um einen Regierungswechsel in Libyen zu erzwingen; Der wiederum Tausende unschuldiger Zivilisten – Männer, Frauen, Kinder – das Leben gekostet hat. Die Aggression der NATO habe den Konflikt in Libyen verschärft. Und darüber hinaus habe der NATO-Kriegspakt auch noch alle Versuche eine friedliche Lösung herbeizuführen, so wie wiederholt von der Afrikanischen Union, bewusst unterbunden.

Und Nicaragua wagte es, in dieser Sitzung der UNO an die Demokratie zu erinnern: Das Schicksal Libyens muss durch das libysche Volk bestimmt werden, erklärte der Vertreter des lateinamerikanischen Landes, und nicht durch die NATO!

Nach der Debatte enthielten sich noch weitere 15 Staaten und, durchaus bemerkenswert, 47 Staaten entzogen sich der Abstimmung, guten Teils weil sie das Verfahren als unzulässig betrachteten.

Nach der Abstimmung beantragte Großbritannien die Sanktionen gegen Libyen „zu lockern“. Der herbeigeführte Beschluss macht es damit wieder möglich, Waffen nach Libyen zu liefern. Man möchte sich fast fragen, warum dieser Antrag noch gestellt wurde. NATO-Staaten liefern bekanntlich bereits seit längerer Zeit Waffen an die Banden des „Nationalen Übergangsrates“. Fühlte man sich durch diesen offenen Bruch der Resolutionen der UN dann doch unangenehm berührt? Ob man sich weniger beschämt, wenn man einfach die Regeln ändert und in der UNO den Beschluss durchsetzt, Waffen ganz offen in ein Kriegsgebiet liefern zu dürfen, darf wohl bezweifelt werden. Unrecht wird zu Recht.

Verloren hat aber an jenem Freitag in der UNO nicht nur das libysche Volk, sondern alle souveränen Nationen. An diesem schwarzen Freitag wurde das Prinzip der staatlichen Souveränität in der UNO faktisch aufgehoben. Der militärische Überfall auf ein unabhängiges Land wurde in all seinen Konsequenzen anerkannt. Damit ist die Grundlage geschaffen, um jedes tatsächlich freie – also von der Beeinflussung durch die Großmächte unabhängige – Land wieder niederzuwerfen. Man kann sich nun gewiss sein, zumindest im Nachhinein wird die UNO Mord zum legitimen Mittel der Politik erklären.

Angriffskriege sind also seit letzter Woche wieder legal.

Aber wie geht es eigentlich in Libyen weiter? Der Vormarsch des „Übergangsrats“ ist größtenteils gestoppt und an einigen Stellen wurden dessen Kämpfer wieder zurückgeschlagen. Der NATO scheint, verschiedenen Berichten nach, langsam die Munition auszugehen. Und Ghaddafi hat sich auch wieder zu Wort gemeldet. Am Dienstag wurde von dem syrischen TV-Sender Arrai eine Tonbotschaft ausgestrahlt, in der er erklärte, dass das politische System Libyens auf dem Volkswillen beruhe und daher nicht zerstörbar sei. Und, wie er wohl nicht ganz zu Unrecht bemerkte: Die NATO könne ihre Luftangriffe nicht unbegrenzt fortsetzen.

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