Kommunistische Plattform: fds setzt massive Polarisierung auf die Tagesordnung

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Die Katze ist aus dem Sack. Die „13 Thesen des ‚forum demokratischer sozialismus‘ (fds) zum Entwurf des Programms der Partei DIE LINKE“ sind ein Frontalangriff gegen den antikapitalistischen Charakter des Programmentwurfs.

Seit der Vorstellung des Entwurfs durch Oskar Lafontaine und Lothar Bisky vor einem halben Jahr hat es an Angriffen nicht gefehlt. Exemplarisch waren die Auftritte von Klaus Lederer und Petra Pau auf dem Berliner Landesparteitag am 27. April dieses Jahres. Zugleich wird der Programmentwurf von den Protagonisten des Mainstreams verschiedenster Couleur angegriffen.

So forderte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel die LINKE in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt vom 17. Juli in drastischer Weise auf, sich zu entscheiden: „Die Reformer müssen endlich mal kämpfen um ihre Partei! Ob sie sich durchsetzen, werden wir erst wissen, wenn Die Linke endlich ihr Grundsatzprogramm beschließt. Das ist allein Angelegenheit der Partei Die Linke. Wir wollen uns da gar nicht einmischen. Für alle Fragen der Zusammenarbeit auf Bundesebene gilt deshalb: Wiedervorlage Ende 2011. Für uns wird dann wichtig sein, dass Die Linke keine Formelkompromisse aufschreibt, sondern sie muss eine echte Klärung herbeiführen. Nach 20 Jahren deutscher Einheit ist das doch überfällig. Die SPD ist dafür aber nicht zuständig, und ich habe wenig Interesse daran, dass Vertreter des Reformflügels der Partei Die Linke zu mir kommen und sagen: Du musst jetzt zulassen, dass wir zusammen regieren, denn diesen Erziehungsprozess brauchen wir mit unseren Leuten. Die SPD ist nicht die Erziehungsanstalt für Die Linke.“

Der CDU-Innenminister Thomas de Maiziere wünscht sich, „dass das Grundsatzprogramm so ausfällt, dass es danach keinen Anlass mehr zur Beobachtung gibt“, und auch die Herren Gauck und Knabe fehlen nicht, wenn es gegen den Programmentwurf geht. Woher kommt diese abgrundtiefe Abneigung? Es ist die Abneigung gegen die klaren Aussagen zur außenpolitischen Ausrichtung unserer Partei, vor allem zu ihren friedenspolitischen Prinzipien. Es ist die Abneigung gegen die fixierten inhaltlichen Bedingungen für Regierungsbeteiligungen. Es ist die Abneigung gegen die Kernaussagen zur Eigentumsfrage. Letztlich ist es die Ablehnung des dem Programm immanenten Antikapitalismus. Die 13 Thesen richten sich genau gegen diese Grundlinien des Programmentwurfs. Es scheint, als läge bereits ein anderes programmatisches Papier in der Schublade, mit dessen Eckpunkten wir nun konfrontiert werden sollen.

Aber der vorliegende Programmentwurf ist am 20.03.2010 einstimmig von der Programmkommission gebilligt worden. Die Voraussetzung für diese Einstimmigkeit war die Bereitschaft zu Kompromissen. Daraus resultiert zwangsläufig, dass es eine durchgängige Stringenz nicht geben kann. Es ist daher sehr merkwürdig, dass das fds kritisiert, dass im Programmentwurf „zwei Grundlogiken“ nebeneinander stehen. Diese zwei Logiken sind der Ausdruck des Kompromisses. Soll dieser nun aufgekündigt werden? Der Programmentwurf ist in ungezählten Veranstaltungen im Rahmen der laufenden Programmdebatte von großen Teilen der Basis in seinen Grundzügen befürwortet worden. Dies kann niemand in Abrede stellen. Den vorliegenden Programmkompromiss aufzukündigen hieße, breiten Stimmungen in der Partei ignorant zu begegnen.

Mit den Thesen hat das fds die massive Polarisierung in der Programmdebatte auf die Tagesordnung gesetzt. Das sorgt für Klarheit. Jeder, der sich die Mühe macht, die schwer lesbaren Thesen durchzuarbeiten, kann feststellen, dass der vorliegende Programmentwurf prinzipiell so nicht gewollt wird. Zuvörderst soll die Kapitalismuseinschätzung geändert werden. Der Programmentwurf, so heißt es, benenne nur die destruktiven Seiten des Kapitalismus. Das Perverse am „modernen“ Kapitalismus ist aber doch, dass dessen schier unendlich erscheinenden wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten in erster Linie der Destruktion dienen. Die Rüstung ist hierfür das beste Beispiel. Fidel Castro warnt vor dem Atomkrieg, die Welt stöhnt unter den Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise, von der niemand sagen kann, ob sie zunächst einmal überwunden ist, Millionen verhungern und soziale Verwerfungen prägen zunehmend das Leben vieler Menschen, selbst in den reichen Ländern, die Umwelt verkommt – und das fds sorgt sich um eine ausgewogene Kapitalismusbewertung und meint, im Text dominiere „eine einseitige ökonomistische Sichtweise“. Da fällt einem der Clinton-Klassiker ein: „It’s the economy, stupid!“

Die Kapitalismusanalyse des Programmentwurfs ist im Wesentlichen ausgewogen. Natürlich gibt es Gründe für Kritik am Programmentwurf von links. Natürlich werden auch wir Anträge stellen. Aber wir werden uns nicht so verhalten, dass der Entwurf zwischen fds und den marxistisch orientierten Kräften zerrieben wird. Wir werden um die Beibehaltung des antikapitalistischen Charakters der vorliegenden Programmentwurfs kämpfen.

Noch einmal zu den Thesen. Es ist ein willkürliches Konstrukt, wenn in den Thesen de facto behauptet wird, der Programmentwurf setze einen unüberbrückbaren Widerspruch zwischen der Feststellung, nur im Sozialismus ließen sich die Lebensfragen unserer Zeit lösen und der Notwendigkeit, in der Gegenwart alles für die Menschen zu tun. Den einen, so in den Thesen nachlesbar, gelte Sozialismus aus Voraussetzung für Demokratie; die „reformerische Sichtweise“ der anderen rechne hingegen mit einem „lang anhaltenden Prozess“ hin zum Sozialismus. Der Übergang sei nicht „im Kalender als Datum einzutragen“. Was das kalendarische anbetrifft: Wo das fds recht hat, hat es recht. Es geht doch um etwas völlig anderes. Die bestimmende Logik im vorliegenden Programmentwurf knüpft an bei Rosa Luxemburg und lautet „Sozialismus oder Barbarei“. Letzteres bedeutet doch nicht, dass wir nur im Sozialismus gegen die Barbarei kämpfen können, sondern vielmehr im Kampf gegen die Barbarei und für den Sozialismus hier und jetzt das tagtäglich Notwendige zu tun. Mit sozialistischen Verhältnissen – ob durch Transformation oder revolutionäre Brüche, vielleicht schließt das eine ja das andere gar nicht aus – ist in unseren Breitengraden heute oder morgen doch nicht zu rechnen. Der demokratische Sozialismus ist unser strategisches Ziel. Auf der Tagesordnung steht, den Abwehrkampf gegen die Privatisierung der Gewinne und die Vergesellschaftung der Verluste zu führen – letztere auf Knochen derer, die ohnehin die sozial am meisten Benachteiligten sind. Das ist keine Phrase, das ist die Realität in Jobcentern und an vielen anderen Orten, nicht zuletzt auf den Ausländerbehörden.

Dass viele der Deklassierten sich über starke Worte gegen Spekulanten freuen und zugleich oft verführbar sind, wenn es im Alltag in Sarrazinscher Manier gegen die Sündenböcke geht, wissen wir. Auch hier handelt es sich nicht um ein Phänomen, sondern um die Ergebnisse perfidester Manipulationen. Auch wir sind für die Erringung der kulturellen Hegemonie. Die bleibt ein frommer Wunsch, wenn die Funktionsmechanismen des Kapitalismus nicht schonungslos entlarvt werden.

Die Thesen zum Programmentwurf entsprechen in etwa der Länge des Entwurfs. Wir können und wollen mit dieser Erklärung nicht den Versuch unternehmen, nun wiederum eine komplexe Kritik an der Kritik des Programmentwurfs vorzunehmen. Wir zitieren an dieser Stelle lieber aus der FAZ vom 07.09.2010, in der es heißt, das „Forum“ (fds) spräche sich „entschieden … gegen die Tendenz im Entwurf des Programms aus“. Und genau diese Tendenz, das sei wiederholt, werden wir verteidigen.

Abschließend wollen wir feststellen, wogegen wir vehement kämpfen werden: Nämlich gegen die Erwägung, die Diskussion über die Außenpolitik und die friedenspolitischen Grundsätze der Partei von der Programmdebatte abzukoppeln. In den Thesen heißt es hierzu: „Wir sprechen uns deshalb dafür aus, zu prüfen, ob die Programmdebatte den Raum bietet für eine solche außen- und sicherheitspolitische Grundsatzdiskussion sowie strategische Festlegung. Wenn in der Programmdebatte dafür kein ausreichender Raum sein sollte, schlagen wir vor, diese Grundsatzdebatte parallel zur Programmdebatte zu beginnen und in einem eigenen Parteitagsbeschluss abzuschließen. Der Programmentwurf sollte sich auf die zahlreichen grundsätzlichen Gemeinsamkeiten konzentrieren.“

Nach unseren Erfahrungen sind die in der PDS bis zum Münsteraner Parteitag geltenden, in Münster mit großer Mehrheit beschlossenen, im Parteiprogramm von 2003 und in den Eckpunkten der Linken im Jahr 2007 bekräftigten, in allen Wahlprogrammen und Wahlkämpfen zugesicherten friedenspolitischen Prinzipien die grundsätzlichste Gemeinsamkeit in unserer Partei von Anbeginn. Dass die Verfasser der 13 Thesen dies anders sehen, wird durch eine Vielzahl von Formulierungen untersetzt. Dafür steht exemplarisch die Aussage: „Grundsätzlich darf die notwendige und überfällige Debatte über diese ebenso komplexen wie wichtigen Fragen nicht im innerparteilichen Diskurs als regierungsorientiertes Vernachlässigen friedenspolitischer Grundpositionen denunziert werden.“ Hier verweisen wir noch einmal auf die freundlichen Worte von Sigmar Gabriel. Wie für viele Genossinnen und Genossen in unserer Partei und ungezählte Wählerinnen und Wähler gilt auch für uns:

Die friedenspolitischen Prinzipien der LINKEN dürfen durch nichts relativiert und somit zur Disposition gestellt werden.

Berlin, 8. September 2010

Ellen Brombacher, Thomas Hecker, Jürgen Herold, Friedrich Rabe.

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